Die Bahnreise

Achtung, Achtung. Bitte zurückbleiben. Die Türen schließen automatisch. Wenn sie Sie zerteilen, können wir nichts mehr für Sie tun und sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt. Falls Sie dann überhaupt noch etwas sagen können. Genießen Sie die Aussicht. Die ist immer gleich, aber wenn Sie lange genug auf das Feld starren, werden Sie einen Wetterwechsel bemerken. Immerhin! Vielleicht sehen Sie auch mal ein Pferd.

Ist noch jemand zugestiegen? Das ist eine tierische Frage. Wir wissen das nämlich ganz genau. Wir weisen Sie auf einen Fahrerwechsel hin. Wir nehmen an, das interessiert Sie. Vorher hatten wir keinen, dafür jetzt sogar zwei. Kaffee?

In unserem Bistro gibt es heute Schweinerücken mit Champignoncrémesoße und Knödelchen. Lecker, was? Wenn Sie wollen, müssen Sie diesen Zug nur wieder verlassen.

Unser nächster Halt: irgendeine Stadt. Hier haben Sie Anschluss an den Bummelzug nach Posemuckel. Angenehme Reise!

Haben Sie schon in unserem Magazin gelesen? Es gibt exklusiv bei uns einen Auszug aus dem neuen Forensikthriller Ihres Lieblingsautoren. Erleben Sie hautnah den neuen Fall des ungleichen Ermittlerteams. So etwas haben Sie noch nie gelesen oder zumindest noch nicht oft genug! Beachten Sie auch unsere Tipps zu Konsensveranstaltungen im ganzen Land.

Wir erreichen jetzt die Endhaltestelle. Bitte steigen Sie aus. Oder bleiben Sie sitzen und fahren Sie wieder zurück mit uns. Wer könnte Ihnen das verdenken? Wir nicht.

Achtung, Achtung. Bitte zurückbleiben. Die Türen schließen automatisch. Wenn sie Sie zerteilen, können wir nichts mehr für Sie tun und sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt. Falls Sie dann überhaupt noch etwas sagen können.

Deutschland sucht die Superphrasen und ich habe sie gefunden

Die letzten Wochen und Monate im TV-Land haben gezeigt, dass es bei zeitgemäßen musikalischen Castingshows weniger darauf ankommt, die Teilnehmenden zu blamieren und vorzuführen, sondern mehr oder weniger die ultimative Stimme zu finden. Sendungen wie X-Factor, The Voice of Germany oder Unser Star für Baku sind beispielhaft für diesen neuen Trend. Ob den Teilnehmenden ein langfristiger Erfolg (was immer das auch ist) garantiert ist, kann ich genauso wenig beurteilen wie die Qualität der einzelnen „Produkte“. Worum es an dieser Stelle gehen soll, sind die neuen Anforderungen, die an die Jurys gestellt werden. Es reicht nicht mehr, den einzelnen Darbietungen Hohn oder blinde Lobhudelei zu entgegnen, wobei letzteres wohl immer präsent sein wird. Vielmehr ist es für den Juror oder die Jurorin von heute nötig, ein Set von stets pietätvollen und geistreichen Phrasen abrufbar zu haben und für sämtliche Situationen gewappnet zu sein. Dabei möchte ich gerne helfen.
Man stelle sich vor, jemand hat gerade ganz fantastisch gesungen und man weiß nicht so recht, wie man das erklären soll, ohne den Zuschauer zu überfordern. Hier meine Vorschläge:
  • Du hast heute echt wieder abgeliefert.
  • Das war internationales Niveau.
  • Du würdest damit einen Grammy gewinnen.
  • Ich kann nicht mehr, du hast mich weggeblasen.
  • Das was du machst, das können nicht viele.

Oftmals möchte man aber auch zeigen, wie gut man sich gerade im musikalisch-fachlichen Bereich auskennt. In solchen Fällen kann man jederzeit Fremdwörter mit einfließen lassen.

  • Mir gefällt dein Vibrato in der Stimme.
  • Mir gefällt, dass du kein Vibrato in der Stimme hast.
  • Du bist so schön edgy und ich liebe deine Stimme. Sie ist so rough!
  • Deine Stimme ist so schön smooth!
  • Mir gefallen die Strophen, aber in der Bridge bist du echt abgegangen.

In manchen Fällen ist man so stolz auf seine Teilnehmenden, da kann man die Situation gut nutzen, um statt die Performance zu bewerten, sein eigenes Format zu loben.

  • Ich finde es gut, dass man hier seinen eigenen Song singen kann. Das kann man sonst nirgends!
  • Wir sind keine Jury, wir sind Mentoren!
  • Wir sind keine Jury, wir sind Coaches!
  • Bei anderen Castingshows würde man mit unseren Top 5 eine ganze Staffel füllen!
  • Wir sind keine Castingshow!

Bei allem Hang dazu, möglichst objektiv zu bewerten, ist es manchmal doch notwendig, das Publikum in die richtigere Bahn zu lenken. Hat man beispielsweise zwei Teilnehmende, die bei den Zuschauern gleich gut ankommen, muss man die Kritik nur gut verpacken und schon ist das Problem gelöst.

  • Du warst viel besser als in der Probe.
  • Der Song hat mir heute zum ersten Mal richtig gefallen.
  • Du hast das Lied sehr schön nachgesungen.
  • Siehst du, du brauchtest gar keine Angst haben, das hast du sehr gut gemacht.
  • Ich weiß, wie aufgeregt du immer bist, aber das musst du gar nicht sein, das war spitze!

In jede Jury gehört ein Juror oder eine Jurorin, der oder die nicht durch Fachkenntnis, sondern durch Empathie brilliert. Dies ist nötig, da die Bewertung sonst zu technisch wirkt, was wiederum total uninteressant für das Publikum wäre. Man erkennt ihn oder sie sehr leicht an folgenden Aussagen.

  • Ich habe dich ganz gespürt.
  • Ich habe gemerkt, wie du den ganzen Song über bei mir warst.
  • Uns verbindet etwas ganz besonderes.
  • Ich weiß nicht, was es ist, aber ich habe überall Gänsehaut.
  • Ich merke, du hast so etwas in deinem Inneren, das berührt mich.
  • Wir sind Seelenverwandte.

Analog dazu kann man sich auch auf die optische Erscheinung beziehen.

  • Ich mag deine extrovertierte Art.
  • Ich mag, wie du auf der großen Bühne ganz bei dir bist.
  • Ich mag, wie du mit deiner Präsenz verstehst, die Bühne auszufüllen.
  • Nächste Woche kannst du ruhig etwas gewagteres anziehen.
  • Ich mag deine Schuhe.

Der Trend zu Castingshows, die eigentlich keine sein wollen, wird sicherlich eine Weile anhalten. Wer weiß, wer noch alles in einer Jury landen wird. Ich hoffe, mit dieser Sammlung von überaus nützlichen Phrasen, angehenden Juroren und Jurorinnen eine sinnvolle Grundlage geben zu können.
Ein Satz fehlt noch. Ein sehr wichtiger Satz, den man immer sagen kann, wenn man mit seinem Latein am Ende ist. Ein Satz, den man sich auch als Zuschauer, merken sollte – als Zuschauer, der stets die Wahl hat, was er wann und ob überhaupt in der Kiste sehen möchte.

  • Am Ende muss das Publikum entscheiden.

Süßes oder Saures? Der Reformationstag steht vor der Tür

Es ist wieder so weit. Der Reformationstag steht vor der Tür, vielen auch bekannt unter dem Namen Halloween. Einer uralten Legende zufolge soll ein Theologieprofessor im Jahr 1517 einen Zettel an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben, allerdings war für die meisten Menschen unklar, was auf diesem geschrieben stand, da der Text in lateinischer Schrift verfasst war. Nach neuesten Erkenntnissen handelte es sich dabei um den Satz „Trick vel agere“. Übersetzt um drei Ecken heißt das soviel wie „Süßes oder Saures“. Lange wurde überlegt, was der Professor mit dieser Drohung wohl meinte. Zeitzeugen zufolge, soll sich noch in der Nacht des 31.10.1517 folgendes abgespielt haben: Auf Grund einer damaligen Überproduktion an Kürbissen hat Jakob Laterna, der Gärtner der Kirche beschlossen, einen Großteil der Ernte zu verschenken. Da er wusste, dass Kürbisse nicht sonderlich beliebt waren – Kürbissuppe oder Kürbisbonbons kamen bei niemandem gut an – musste er sich etwas einfallen lassen. So schälte er Gesichter in die Gewächse, nicht zuletzt auch um subversiv einige Vertreter der römisch-katholischen Kirche anzuprangern, was an dieser Stelle allerdings zu weit führen würde. Der Gärtner legte seine Kürbisse nachts vor die Tür der Schlosskirche und stellte am Morgen fest, dass sein Plan voll aufging. Die Kürbisse waren alle weg und zierten nun die Wittenberger Häuser. Dies muss auch dem Professor gefallen haben, denn von seinen sauren Konsequenzen wurde der Gärtner verschont. Historiker waren sich lange nicht sicher, wie die Folgen ausgesehen hätten. Die These, dass in den Briefkasten der Schlosskirche Sirup gegossen worden wäre, konnte nicht bestätigt werden, hält sich aber immer noch hartnäckig. Die Angst vor dem Ungewissen blieb bis heute bestehen, was auch ein Flugblatt aus dem 16. Jahrhundert zeigt.

Jakob Laterna ging in die Geschichte ein. Er war es, der das Ansehen der Kürbisse nachhaltig mit einem Imagewechsel von der ungenießbaren Zutat zum saisonalen Wohnaccessoire prägte. Bis heute wird so der Reformationstag auf der ganzen Welt gefeiert. Kinder wandern in der Nacht vom 31. Oktober zum ersten November durch die Nachbarschaft und rufen „Süßes oder Saures“ in der Hoffnung, ihre Alditüten mit allerhand Leckereien gefüllt zu bekommen. Dazu verkleiden sie sich beispielsweise als Skelett, Hexe oder Kürbis, um den Menschen Angst einzujagen. Es empfiehlt sich daher immer etwas Süßes zuhause zu haben. Auch ich habe soeben eine Tüte mit Brausepulver gefüllter Lollies gekauft, nicht zuletzt im Interesse meines Briefkastens. Dass diese im Grunde eher sauer sind, ist meine Art, subversiv gegen… aber lassen wir das.