Ich arbeite seit zwei Monaten in einem Call-Center für Markt- und Meinungsforschung und was soll ich sagen? Natürlich wird man am Telefon nicht behandelt, wie ein Arzt oder Anwalt, wobei man sicherlich auch nicht von denen gerne angerufen wird. Man ist eher der Störenfried, der versucht, zu den unmöglichsten Zeiten, Leuten, die eh keine haben, mit den unmöglichsten Fragen zu nerven. So waren zumindest meine Vorstellungen und Erwartungen, die sich bis jetzt nicht ganz bestätigt haben. Die Menschen sind halt verschieden und natürlich gibt es alle möglichen Reaktionen auf die Frage, ob Sie so freundlich wären, mir ein paar Fragen zu beantworten?
Eine Antwort, die relativ häufig vorkommt, ist das Klacken des Hörers, das rapide auf meine perfekt einstudierte und mich im Schlaf verfolgende Anmoderation folgt. Was nicht so häufig vorkommt sind allerlei kuriose Situationen, die teilweise dadurch begründet sind, dass die Nummern, die angerufen werden zufällig ausgewürfelt werden. Da kann es schon vorkommen, dass man bei einem Fax- oder Modemanschluss herauskommt und das Gefühl hat, akustisch geblitzdingst geworden zu sein. Die meisten Leute, die man erreicht, haben gerade etwas besseres zu tun, was ich sehr gut verstehen kann oder sind einfach zu alt (was ich natürlich auch verstehen kann bzw. muss). So kann es schon einmal vorkommen, dass mich eine Grabesstimme anhaucht, mit den Worten: „Da brauchen Sie mich gar nicht mehr befragen. Ich bin schon bald… schon bald…“ In der darauffolgenden zu langen Pause frage ich mich, wie und ob überhaupt der Satz wohl weitergeht. Schon bald … tot? Aber nein, glück gehabt, nach einem kurzen Röcheln endet er mit „… achtzig.“
Es gibt natürlich gute, ja sogar lebenswichtige Gründe, auf ein Interview zu verzichten. So meldete sich unlängst ein Mann mit den Worten: „Ich bin so müde, ich bekomme gerade ein Kind.“ Nun, diesem evolutionären Durchbruch möchte ich nicht im Wege stehen. Eine ganz andere Antwort gab mir eine junge Frau: „Junger Mann, ich hänge gerade mit dem halben Arsch aus dem Fenster.“ Auch hier möchte ich einem möglichen Durchbruch nicht im Wege stehen. Man kann hier sehr schön sehen, dass hier ein schnödes Interview zwischen Leben und Tot oder besser Geburt und Fenstersturz entscheiden kann.