Familien haben viele Gesichter. Es gibt Mütter und Väter, Tanten und Onkel, Schwippschwäger und sicherlich auch Schwippschwägerinnen. Es gibt Stiefeltern und Angeheiratete und allerlei Schwiegermenschen, oft auch in spe. Sie alle gehen irgendwelchen Beschäftigungen nach und man kann sicher sein, das es immer jemanden gibt, der sich mit Dachdeckerei, Pumpenbau oder der Steuererklärung auskennt. Einer, der hier näher beschrieben werden soll, ist der sogenannte Hausnerd.
Der Hausnerd – es gibt immer nur einen – ist zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt und hat das Elternhaus schon seit einiger Zeit verlassen. Er lebt in einer Stadt weit weit weg, ist allerdings in ständigem telefonischen Kontakt zum Rest der Familie. Oftmals studiert oder jobbt er mal mehr, mal weniger erfolgreich, hat also bei den Angehörigen den Ruf, sich in so manchen Dingen mal mehr, mal weniger gut auszukennen. So kommt es, dass er immer dann zu Rate gezogen wird, wenn etwas nicht so funktioniert, wie es gerade soll. Dazu zählen vor allem technische Geräte wie Computer, Drucker, Fernseher und überhaupt alles, was eine digitale Zeitanzeige hat. Gerade zum Wechsel von Sommerzeit zu Winterzeit und umgekehrt glüht die Telefonleitung. Wie wird die Uhr vom Videorekorder umgestellt? Kannst du mir beim Autoradio helfen? Der Hausnerd hat für alles eine Lösung aus der Ferne parat. Das Solitärspiel geht nicht mehr? Kein Problem, klicke einfach mal da und da. Doppelt? Nein, einmal reicht. Der Dank ist ihm gewiss und der Tag gerettet.
Ein paar mal im Jahr verlässt der Hausnerd seine Kommandozentrale und besucht seine Familie. Dieser Gelegenheit wird in seinem Unwissen hoffnungsvoll entgegengefiebert, ermöglicht das doch das Lösen vieler ganz neuer Probleme, die für ein Telefonat zu komplex erschienen oder ohnehin nicht richtig erklärt werden können, ohne sie zu zeigen. Ein komplizierter Zeitplan wurde bereits erstellt, so dass dem heimgekehrten Hausnerd auch nicht langweilig wird in der alten Heimat. WLAN-Netze möchten eingerichtet werden und kaputte Festplatten repariert werden. Langsame PCs sollen beschleunigt und digitale Sateliten-Receiver begutachtet, umgetauscht und programmiert werden. Ein Scanner aus dem 19. Jahrhundert, der im Keller einer Verstorbenen gefunden wurde und noch „zu gut“ ist, um weggeworfen zu werden, kann dann gleich auch noch angeschlossen werden. Dies alles und noch viel mehr erledigt der Hausnerd mit Bravour und stetiger Freude. Wer soll es denn auch sonst machen? Außerdem wird er in Buletten und Kartoffelsalat bezahlt und zuhause kommt ihm die Tiefkühlpizza schon aus den Ohren.
Nach der Zeit in der Heimat – vom Hausnerd im Vorfeld oft fälschlicherweise als „Urlaub“ bezeichnet – kehrt er in seine Kommandozentrale weit weit weg zurück. Ihm fällt ein, dass er vergessen hat, die Zeitschaltuhr des Elekroherds lauter zu stellen. Diese Vorstellung bringt ihn fast um den Schlaf. Fast.
An dieser Stelle danke ich den Entwicklern von Remote-Software wie TeamViewer oder Chrome Remote Desktop, die das Leben für viele Hausnerds erleichtern.