Sauber bis in die Haarwinkel

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Weißt du, ich hab darüber viel nachgedacht. Es ist ja nicht so, dass ich nicht gerne mit dir hier herumhänge. Wirklich nicht. Wie lange kennen wir uns jetzt schon? Vier Jahre? Mann, so lange ist das her, seit ich rausgeschmissen wurde…
Egal, es ist einfach notwendig. Schau uns doch mal an, wie lange soll das noch so weitergehen? Ich meine, wir können uns ja trotzdem noch treffen. Vielleicht einmal die Woche…wie wäre es mit Dienstag? Montag kann ich nicht, da kommt hier immer Ware rein und du weißt, was dann los ist. Ich kann ja auch Kaffee mitbringen, obwohl ich den eigentlich auch nicht mehr trinken sollte. Für dich würde ich aber eine Ausnahme machen. Es muss sich halt etwas ändern, ich kann nicht jeden Tag hier sein. Es hat keinen Sinn, hier herumzustehen. Ich habe kein Problem damit, wie die Leute uns ansehen. Ich glaube, die meisten schauen eh durch uns durch. Wann hast du das letzte mal etwas bekommen?
Ich glaube, wir haben viele Fehler gemacht. Damit meine ich nicht, dass wir hier sind und nicht woanders, ich hatte damit ja jahrelang kein Problem. Nein ich denke, das kam viel früher. Irgendwann haben wir uns gesagt, das hätte alles keinen Sinn mehr. Das sehe ich jetzt anders und deshalb krempel ich mein Leben um. Ich versuche es zumindest. Ich erwarte gar nicht, dass du mitmachst, aber falls du Lust hast, kannst du dir das mal durchlesen. Das sind ein paar Texte, die habe ich für dich übersetzt, weil ich weiß, dein Englisch ist nicht das beste. Mir hat es geholfen.

Kringelgedings

Mein neuer Berufswunsch: Designer für Teppiche und Sitzbezüge, die scheinbar so dreckig sind, dass man echte Flecken nicht darauf erkennt.

Ständig gäbe es neue Herausforderungen. Wird zur Zeit in der S-Bahn eher gesprayt oder gekotzt? Wofür wird der Seminarraum genutzt? Sollte sich der Teppich lieber auf Rotwein- oder Spermaflecken einstellen?

Ich frage mich, wie der Designprozess so abläuft und stelle mir ein Labor vor, ganz in weiß, in der Mitte ein Sitzmöbel mit weißem Bezug. Im Nebenraum beobachten drei in wissenschaftlich angehauchten Kittelkostümen durch eine Scheibe, die auf deren Seite durchsichtig, auf der anderen nur als Spiegel zu erkennen ist, das Labor. In dieses wird nun ein stark angetrunkener Mensch mittleren Alters geschoben. Über Lautsprecher verkünden die Beobachter, er solle nun bitte auf das Sitzmöbel kotzen, was dann auch halbwegs gelingt. Das Resultat wird ausgewertet und kann bei strukturellen Mängeln sogar erweitert werden. Vor dem Labor warten jedenfalls noch Junkies, Inkontinente, Siechende und Zeitungsvergesser, die sich langsam fragen, wo sie hier eigentlich hineingeraten sind.

 

(Dieser Text ist am 07.01.2010 während einer Vorlesung entstanden.)

Ach Hans

Ach Hans, mach doch mal was, was man halt so macht. Läufst hier ziellos durch die Stadt und nörgelst rum. Geh doch mal ein Eis essen beim Italiener. Oder kauf dir ne Bratwurst, was weiß ich. Beobachtest hier die Leute und denkst, du freust dich, weil du nicht so bist wie die. Weißt du Hans, die können sich wenigstens freuen. Die gucken sich ne Baustelle an und freuen sich. Wann freust du dich mal? Wenn jemand auf die Schnauze fliegt, gib’s zu. Was sagst du dazu? Bist jeden Tag hier und weißt nichts mit dir anzufangen. Denkst daran, mal was wirklich außergewöhnliches zu machen, aber dafür bist du immernoch in deinem War und Wird. Weißte was andere an deiner Stelle machen? Die suchen sich die größte Bahnstation und filmen die Züge dann bei der Abfahrt. Das nennen die dann „Parallelstart Punkt 12 Uhr“. Und weißte was? Auch die freuen sich. Da fällt keiner auf die Fresse. Was sagst du dazu, Hans? Nichts sagst du dazu, weil dir nichts dazu einfällt. Nimm deine Depri-Stöpsel aus den Ohren und sag was dazu. Oder lass sie drin, ist eh besser so. Was soll aus dir schon rauskommen? Reicht ja, wenn was reingeht, denkste dir jetzt bestimmt. Das würde zu dir passen. Weißte was? Guck dir doch mal diesen neuen Springbrunnen an. Drängelste dich einfach an den anderen vorbei und gehst drin baden. Das wär verrückt. Und erfrischend obendrein. Und was machst du stattdessen, Hans? Na? Stellst dir vor, da sei eine Stimme in deinem Kopf, die dir alles mögliche verbietet. Ach Hans, mach doch mal was anderes als die anderen.