Wenn du genau wie ich gegen Mobbing bist…

Es kann so schnell gehen. Da surft man vergnügt im sozialen Netzwerk seiner Wahl und scrollt durch Bilder von Katzen und Musikvideos von Künstlern, von denen man noch nie irgendwas gehört hat. Ein Gefühl von Leichtigkeit breitet sich aus. Doch bald spürt man leises Unbehagen. Es kommt von ganz unten, sowohl aus dem Magen als auch aus der Timeline. Dunkel kommt es aus der Nacht, in der es gepostet wurde. Es hat viele Gesichter, aber noch keinen Namen. Es ist ein Zwitter aus Bild und schlecht gesetztem Text und es ist gekommen, um einem die Laune zu verderben.  Es prangert das Schlechte auf der Welt an und fordert auf, eben jene zu verbessern. Und es zeigt einem, wie wenig man bisher getan hat. Die Rede ist von einem dieser undefinierbaren Dinger:

Die Welt ist hart, gezeichnet von Vergewaltigung, Krankheit, verkannten Helden und Vorverurteilungen. Erste Eindrücke sind nicht immer die besten und Menschen werden gemobbt auf Grund von Unkenntnis und Äußerlichkeiten. Mobbing und die damit verbundene Gewaltanwendung und Ausgrenzung ist ungerecht und sollte niemand gutgeheißen. Ich glaube, dass das von so ziemlich allen, die wissen, was Mobbing ist, geteilt wird. 
Das obige Textbild mag für viele trivial sein, stößt mir jedoch regelmäßg sauer auf. Es werden drei Fälle beschrieben, in denen Menschen diffamiert werden. Als Grund dafür wird die Unkenntnis der Umstände genannt – Feuer, Vergewaltigung und Krankheit. Klar bin ich dagegen, doch angenommen, die Kenntnis dieser Schicksale würde vor Mobbing schützen, was ist dann beispielsweise mit dem Kind, das die Leute fett nennen, ja das Kind, das trotzdem nicht krank ist sondern einfach zu viel isst? Was ist, wenn Leute auf Grund von Äußerlichkeiten gemobbt werden, hinter denen keine schweren Schicksale stecken? Auch hier muss man sich gegen Gewalt und Ausgrenzung aussprechen, egal ob jemand vom Leben gebeutelt ist oder nicht.
Darüberhinaus werde ich gebeten, dieses schreckliche Textbild weiterzuposten. Tue ich dies nicht, wird sogar angenommen, dass ich mich nicht „traue“, dies zu tun oder implizit für Mobbing bin.
Ich sehe dieses Bild immer häufiger und rege mich jedes mal darüber auf, wahrscheinlich sehe ich das zu eng, aber seht’s mir bitte nach. Ihr könnt nicht wissen, dass ich mir einmal beim Nagelknipsen so sehr auf die Zunge gebissen habe, dass ich mich tagelang nicht mehr richtig ausdrücken konnte und dadurch von niemandem mehr ernst genommen und nur noch in meiner Schwäche ausgenutzt wurde. Seitdem bin ich etwas skeptischer.

Von Bäumen, Brezeln und der Ästhetik des O

Vor zwei Wochen bin ich nach München gezogen. Ich hatte das Glück, für diese zwei Wochen bei einer Frau unterzukommen, die hauptberuflich für verzeifelte Menschen da ist und in ihrer Freizeit gerne Tee trinkt, Dinkelkekse isst und Bäume umarmt. Letzteres habe ich an der Uni auch schon gemacht – ein Hoch auf Schlüsselqualifikationen – wir hatten also gleich einen gemeinsamen Nenner. Ich habe dort Schwabing, den Nymphenburger Park und die Münchner Freiheit etwas näher kennen gelernt, das waren für mich vorher Böhmische Dörfer (und das, obwohl ich als Kind ein riesiger Fan der Münchner Freiheit war…).
Mein Job im Goethe-Institut bereitet mir viel Freude. Nicht zuletzt deshalb, weil ich mich mit dem Projekt, an dem ich mitarbeiten darf, ser gut identifizieren kann. Die Arbeit macht mir so viel Spaß, dass ich schon beinahe angefangen habe, über den Büroalltag zu twittern. Frei nach „Mist, der Kaffee ist alle“ oder „Es druckt nicht“. Aber dann bin ich doch noch zur Besinnung gekommen.
Viele wollen wissen, wie München „so ist“ und ob ich mal was darüber berichten kann. Hätte ich vorher den Kopf voller Klischees gehabt, wären mir diese sicherlich hier bestätigt worden. Ich kann also wenig dazu sagen. Lederhosen und Schickimicki habe ich noch nicht groß wahrgenommen. Das, was mir bisher aufgefallen ist, ist dass hier zu jeder Zeit und überall Brezeln verfügbar sind und es so Zeitungskästen gibt, wo man irgendwas reinsteckt (oder auch nicht) und sich dann so viele Zeitungen wie man will herausnehmen kann. Pfft, und die Aktion „Bild für alle“ soll was besonderes sein, ja? Und der Döner schmeckt mir nicht, aber vielleicht bin ich da auch verwöhnt. Das letzte Mal, dass ich so ein „Sandwich Döner Art“ gegessen habe, war in Syke. Das ist ein Kaff in Niedersachsen. Aber wollen wir uns nicht mit solchen Lapalien aufhalten.
Jetzt sitze ich hier in der neuen Wohnung. Noch ist sie ohne Möbel, die kommen bald nach. Ich überlege, ob ich mir eine Zeitung nehme und überall den Buchstaben O durchstreiche. Ich hab das mal in einem Roman gelesen (von Faldbakken oder Drehmann, kann mich aber auch irren), nur dass es dort der Buchstabe E oder I war. Für ein O braucht man natürlich einen Grund der Antipathie, sonst hätte das ja gar keinen Sinn. Da stellt sich mir die Frage, warum ich das O nicht mögen sollte. Ist es mir zu offen oder zu geschlossen? Irgendwie ist beides richtig, da müsste man sich mal professionelle Hilfe bei einem Ästheten holen.
Was für eine Kurve hat dieser Text jetzt eigentlich genommen? Ich wollte doch nur beschreiben, dass ich jetzt alleine in einer leeren Wohnung sitze… In diesem Sinne.

Goodbye Leipzig

Ende 2004 bin ich nach Leipzig gezogen. Ein Jahr ins Studentenwohnheim, danach in den Leipziger Westen. Hier sitze ich jetzt und überlege, wie ich meine Gedanken in Worte fassen kann. Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich hier nach meinem Studium bleiben möchte. Berlin kam da oft in den Sinn und gedanklich war ich auch schon davon überzeugt, dort zu landen. Nun passieren im Leben oft die seltsamsten Dinge. So war das vor und in Leipzig und so wird das auch nach Leipzig sein. Als Deutsch-als-Fremdsprachler tat sich mir vor kurzem eine Tür auf, mit der ich kaum gerechnet habe. Bevor sie wieder zu ging, stellte ich einen Fuß hinein und darf euch sagen, dass ich ab April im Goethe-Institut in München arbeiten werde. Für mich ist das großartig und ein riesiger Schritt.

Rückblickend hatte ich wunderschöne Jahre in Leipzig. Die negativen Sachen kann ich locker an einer Hand abzählen und um die soll es nicht gehen. Ich möchte auch nicht die Orte aufzählen, die ich hier liebgewonnen habe. Vielmehr soll es um die Menschen gehen, die ich in den letzten Jahren kennengelernt und wiederentdeckt habe, sei es in Leipzig, Berlin oder anderswo.

Ich bin kein Partygänger, mach mich oft relativ rar, ja man würde mich nicht als Experten im Socializing bezeichnen. Ich bin froh, in den letzten Jahren viele Freunde und Freundinnen gewonnen zu haben. Falls du du dich gerade fragst, ob du gemeint bist: Ja, das bist du.

Ab April heißt es für mich Auf Wiedersehen Leipzig und alle, die ich deshalb seltener als ohnehin schon sehe. München ist kein Nirgendwo und ich bin nicht aus der Welt gefallen. In diesem Sinne sieht man sich.