Wie mich mein letzter Spaziergang verfolgt hat

Als ich vor ein paar Tagen spazieren ging, kam mir auf einmal etwas in den Sinn, an das ich an die 20 Jahre lang nicht mehr gedacht habe. Ziemlich seltsam, war doch der Spaziergang größtenteils dazu da, den Kopf frei zu bekommen von dem ganzen anderen Quatsch. Ein freier Kopf ist jedoch etwas anderes als ein leerer Kopf, vielleicht habe ich eher letzteres erwartet. Im Nachhinein bin ich froh drüber, denn ein Vakuum im Schädel ist öfter hinderlich als nicht und sowieso kaum wünschenswert. Hab also alles richtig gemacht.

Wie dem auch sei, ich spaziere also lässig vor mich hin (gelernt ist gelernt) und auf einmal schießt mir eine Erinnerung durch den Kopf. Ich sitze als kleines Kind draußen und spiele mit etwas. Was das war, das gab die Erinnerung nicht preis, was ich ihr sehr übel nahm. Nur das Gefühl hat sie transportiert, was mich einige Tage beschäftigt hatte. Was war das für ein komisches Dingens? Und wie lange muss das schon zurückliegen, dass ich mich so gar nicht an das Teil, aber immerhin an seine Metaphysik erinnere?

Aus Kindsperspektive war das Ding ziemlich groß, ich sag mal von der Hand zum Ellenbogen – wer sagt schon „Elle“? „Hör zu, ich schwöre, der Maulwurf war eine Elle lang!“ ist eher was für Veteranen und so alt fühle ich mich dann doch noch nicht. Es war eher rund als eckig, auf alle Fälle ging es irgendwie in die Höhe. Und das Material war organisch.

Als ich eingangs erwähnte, damit gespielt zu haben, war das nicht falsch, aber im Grunde genommen habe ich das Ding einfach kaputt gemacht. Das hatte so eine komische Umwickelung, die beim Abziehen geknirscht hat, wie trockenes Gras nur viel dicker. Wie genau ich mich daran erinnere und wie schwer ich das mit Worten beschreiben kann, ist schon seltsam. Ich habe das Gefühl, als wollte mir mein Kopf die Erinnerung eigentlich bis auf ewig vorenthalten. Was hab ich auch davon? Bei Umwickelung fällt mir übrigens ein, dass ich als Kind auch felsenfest davon überzeugt war, dass die Kruste vom Brot dasselbe sei wie Baumrinde, aber halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf.

Unter der Umwickelung sah das Teil ganz anders aus. Es bestand innen aus vielen Kügelchen, nicht hart nicht weich. Und in denen war sowas wie Milch. Die habe ich dann in eine Regentonne ausgequetscht.

Und dann fällt’s mir ein. Ich sehe es förmlich vor mir und nicht nur das, ich sehe mich, wie ich das Ding komplett auseinandernehme. Es ist so einfach, das Teil, nach dem ich die ganze Zeit gesucht habe, ist ein stinknormaler Maiskolben.

Keine Ahnung, wo der herkam. Das zu rekonstruieren würde sicherlich sehr viele Spaziergänge in Anspruch nehmen. Warum mein Unterbewusstsein mich an diesem Tag gerade mit Mais geärgert hat, weiß ich nicht. Bis heute esse ich den gar nicht. Vielleicht ist es eine Frage des Alters, so wie ich seit einiger Zeit Tomaten mag und vorher nicht ausstehen konnte. Wer weiß, vielleicht esse ich in einem Jahr sogar Rosenkohl. Aber Spaß beiseite, das wäre ja mal total absurd.

Schon seltsam, auf was für halbe Gedanken man beim Versuch, an nichts zu denken kommen, kann. Was da für ein Potential drin steckt, ist beeindruckend, auch wenn es zunächst mit einem Maiskolben beginnt.

Du kennst „Okapiposter“ nicht?

Vor ein paar Tagen wurde ich Zeuge einer Unterhaltung, die sich etwa so abgespielt hat:

Person A: Ja stimmt, „Schilddrüsenunterfunktion“ ist ein ganz tolles Lied von Funny van Dannen. Kennst du auch „Okapiposter“?
Person B: Nein, kenne ich nicht.
Person A: Waaaas? Du kennst „Okapiposter“ nicht? Das ist doch so ein lustiges Lied, das kennt doch jeder! Wie kann man das denn nur nicht kennen, also das ist mir unbegreiflich… Kennst du „Okapiposter“ wirklich nicht???

Wir verlassen diese Unterhaltung jetzt lieber, wer weiß, wo sie enden wird. Zugegeben, ich habe etwas übertrieben, aber nicht so sehr, wie man vielleicht denken mag. Es ist oft verwunderlich, wie einige Menschen, die sich als solche Musikkenner und -kennerinnen wahrnehmen, auf manch eine Unkenntnis des Gesprächspartners reagieren. Die Frage, ob man XY schon kenne, ist ja selten rhetorisch gemeint. Sätze wie „Kennst du Michael Jackson?“ habe ich jedenfalls noch nie gehört. Es gibt also (vereinfacht) nur zwei mögliche Antworten: „Ja, kennich.“ oder eben „Nee, kennichnich.“ Zugegeben, viele Menschen, und ich vorneweg, denken, sie hätten den besten Musikgeschmack, den man überhaupt haben kann. Doch wie kann man so entrüstet sein, wenn jemand ein Lied oder eine Band nicht kennt, welche(s) man selbst total abgefahren findet? Gerade dann könnte man doch einfach antworten: „Musste dir mal anhören.“ Oder besteht der Reiz gerade darin, dieses Spiel als Selbstbestätigung zu spielen. So nach dem Motto: Du kennst Mangled Meltdown* nicht? Das habe ich mir schon gedacht. Wie willst du die auch kennen können, du mit deinem minderwertigen Musikgeschmack?

Was wäre eigentlich gewesen, hätte Person B das Lied gekannt?

Person A: Ja stimmt, „Schilddrüsenunterfunktion“ ist ein ganz tolles Lied von Funny van Dannen. Kennst du auch „Okapiposter“?
Person B: Ja das ist eines Meiner Lieblingslieder. Wusstest du, dass Okapis mit Giraffen verwandt sind, wohingegen Schabrackentapire eher wie Schweine aussehen? Schade, dass er zu seinem Geburtstag nicht das gewünschte Poster bekommen hat, aber was ich will das gibt es auch nie… Sag mal wie findest du das Lied eigentlich?
Person B: Ist ganz ok.

*Ich danke dir, Band Name Maker, Drifting Ohio, Psychopatic Soda und Instinct Frog wären auch passend gewesen.

Jahresrückblickblog 2011

Das Jahr 2011 ist Geschichte. Was kaum jemanden überraschen wird ist, dass es an Silvester zu Ende ging. Gefeiert habe ich dieses Jahr in Berlin-Friedrichshain, auch F-Hain genannt, zusammen mit Freunden. Da ich Partys aus verschiedenen Gründen eher meide, war der Ausgang ungewiss. Die Aufforderung der Gastgeberin, diesmal gute Laune zu haben, machte mich zunächst nervös. Klar, ich hab nun nicht immerzu gute Laune, aber übertrieben miesepetrig bin ich doch auch nicht… Was mag sie nur gemeint haben? Sie war doch gar nicht dabei, als ich eines Tages auf irgendeiner Party überall sein wollte, nur gerade nicht dort und dass das wohl auch unmissverständlich an meiner Körpersprache erkennbar war und ich überhaupt lieber alleine oder wie der Anglist sagt mit Me, Myself & I viel gerner aber das ist ja nun auch schon ewig her und kaum der Rede wert.
Silvester 2011 war toll, es wurde Wii gespielt bis zum Vergasen und dabei Körper- und Rhythmusgefühl bewiesen. Wir sind buchstäblich ins neue Jahr gerutscht – und zwar mit einen Surfbrett durchs Weltall.

An dieser Stelle sollte eigentlich ein Jahresrückblick stehen, wie schon für 2010. Ich halte es für 2011 kurz: Das Jahr bestand im Wesentlichen aus Zungenbrand und Masterarbeit, zwei Dinge, die mich um einige Erfahrungen reicher gemacht haben und nun abgeschlossen sind.

Für TOASTblog.de war 2011 ein erfolgreiches Jahr. Dafür, dass ich Sachen schreibe, die weniger tagesaktuell sind als vielmehr nur mit mir selbst zu tun haben, gibt es doch immer Leute wie euch, die meine Texte lesen. Ich danke euch dafür aus tiefstem Herzen. Zu schreiben ist etwas einzigartiges, und gelesen zu werden ist auch nicht allzu schlecht. Ich verschone euch mit flachen Neujahrswünschen, die sind miefig und piefig. Ich grüße euch einfach und wünsche euch was.

Für alle, die nicht genug bekommen können bin ich auch auf Twitter zu finden und sammle Sachen auf Tumblr.