Vorteile der Geologie

Ich versuche hier ab und zu Texte zu schreiben, die mehr oder weniger ausgedacht sind. Sucht man nach der Schönheit der Sprache, ist es angebracht, sich mal von der gemeinen Belletristik wegzubewegen und in die Geologie zu schauen:

„In  den  Gneisen  umflasert  die  zweite  Schieferung  in  Millimeter  langen  silbrigen Muskovithäutchen die randlich stark zerlappten flaschengrünen  Pyroxenblasten-Knödel,  während  sie  in  den Biotitschiefern nur Mikrometer feine durchgehende Tapeten bildet, an die ich die Glimmerbahnen der ersten Schieferung sigmoidal anschmiegen. Die zweite Streckung lässt sich problemlos anhand von Quarzfaserbärten im Druckschatten der Knödel erkennen und anhand von auseinander gedrifteten  Fragmenten  einzelner  Pyroxene,  zwischen  denen  sich  vor  allem  Chlorit  in  gestreckten Flocken gebildet hat.“

Jörn H. Kruhl

zitiert

“Ein Gedicht über Jäger (» … schallt durch den Wald … «) hatte er mal geschrieben, aber solche Jäger gab es nicht mehr, diese verfluchten Bonzen, die sich einfach abends eine Flinte umhängen. Wie konnte er in einer solchen Welt zu einer Biographie kommen?

Aber wenn er in der »Hinteren Egg« saß, beim Senn oben auf dem Berg, eine Wurst aß und einen halben Roten trank, da hatte er schon das Gefühl, daß er in einem Leben saß. »Da ist er gesessen«, werden sie sagen, und schon während er saß, fühlte er sich gesessen habend. Er lebte sein Leben in der Vergangenheit, und wenn er in der Beiz saß, fiel ihm nicht etwa ein: »Ich sitze in der Hinteren Egg«, sondern: »Er saß in der Hinteren Egg«. Die werden noch staunen.”

Peter Bichsel “Cherubin Hammer und Cherubin Hammer”

zitiert

>Irgendwas stimmt nicht in diesem Leben<, dachte er, während er durch die Straßen lief. >Das Leben hat sich verändert und ist nur rein äußerlich wie früher, einfach und verständlich. Innen drin ist der Mechanismus kaputtgegangen, und jetzt weiß man nicht mehr, was man von den vertrauten Dingen halten soll. Vom Laib eines ukrainischen Brots bis zur Telefonzelle auf der Straße. Irgend etwas Fremdes und Unsichtbares versteckt sich hinter jeder bekannten Oberfläche, in jedem Baum, in jedem Menschen. Es kommt einem bloß so vor, als kenne man das alles seit der Kindheit.

Andrej Kurkow “Picknick auf dem Eis” (Aus dem Russischen von Christa Vogel)