BILD BILD BILD

Heute ist es also so weit. Die BILD flattert in gang ganz viele Haushalte. Meiner ist auch mit dabei, obwohl ich mich doch eigentlich dagegen wehren wollte. Aber gut, von 10 Dingen, die ich mir vornehme, setze ich manchmal nur die Hälfte um und nun ist sie da, die BILD. Beim schreiben dieser Zeilen fällt mir auf, wie ich mich jedes Mal ein bisschen mehr verachte, wenn ich das böse Wort mit den vier Buchstaben schreibe. Dreckig und schäbig komme ich mir vor, wie ein schmieriger Reporter, der dem Anruf irgendeiner C-Prominenz folgt, die dann und dann da und da sein könnte und ganz zufällig naja ihr wisst schon.
Die BILD löst in mir regelmäßig Kopfschütteln aus und es kommt vor, dass ich auf einen Schlag sämtliche Leser und Leserinnen auf den Mond schießen will. Alles ganz natürliche Reaktionen, ohne die BILD wäre eh alles besser und wie können die nur davon ausgehen, dass den Geburtstag dieses Blattes ganz Deutschland mitfeiern will. Ich feier ja kaum meinen eigenen…
So dachte ich bis jetzt. Nun halte ich das Gratisexemplar in den Händen und bin ehrlich gesagt ganz begeistert. Ich wusste gar nicht, wie toll die BILD ist. Seit ich vor gut zwei Monaten in meine neue Wohnung gezogen bin, plagte mich ein ernstes Problem. Bis heute erschien es mir fast unlösbar. Es geht um meine Wohnzimmertür, die nie aufbleiben will. Ständig fällt sie mir beim Durchgehen in den Rücken. Seit ich das Geburtstagsexemplar habe, ist Schluss damit. einfach ein Stück aus der BILD gerissen und zusammengeknüllt, schon habe ich einen exzellenten Türstopper. 
Aber damit hört es nicht auf. Wochenlang musste ich mich an das Münchner Wetter gewöhnen. Mal glühende Hitze, dann wieder Regen ohne Ende. Nun habe ich endlich die Möglichkeit, mir einen formschönen Papierhut aus einer Seite zu basteln. Der schützt vor Sonne und Regen. Und falls mal wieder einen Wolkenbruch die Straße überschwemmt, kann ich ihn auch zu einem Boot umfunktionieren, da freuen sich gleich noch die Nachbarskinder.
Als eher theoretischer Mensch fehlen mir oftmals praktische Beispiele. Wie oft habe ich schon versucht zu erklären, dass man Papier nicht neunmal falten kann. Ungläubige Blicke habe ich geerntet, aber jetzt habe ich endlich genug Material, um allen Ungläubigen zu zeigen, dass das unmöglich ist. Auch ihr könnt das mit eurem Gratisexemplar ja mal probieren. Was für ein Hit auf jeder Party!
Das sind nur drei Beispiele. Grenzenlose Möglickeiten haben sich mir eröffnet. Ich lache alle aus, die die BILD achtlos in den Müll pfeffern, ohne sich ernsthaft damit auseinandergesetzt zu haben. Selten habe ich mich so über ein Geschenk gefreut. Danke BILD. Und jetzt muss ich mir die Hände waschen.

Wenn du genau wie ich gegen Mobbing bist…

Es kann so schnell gehen. Da surft man vergnügt im sozialen Netzwerk seiner Wahl und scrollt durch Bilder von Katzen und Musikvideos von Künstlern, von denen man noch nie irgendwas gehört hat. Ein Gefühl von Leichtigkeit breitet sich aus. Doch bald spürt man leises Unbehagen. Es kommt von ganz unten, sowohl aus dem Magen als auch aus der Timeline. Dunkel kommt es aus der Nacht, in der es gepostet wurde. Es hat viele Gesichter, aber noch keinen Namen. Es ist ein Zwitter aus Bild und schlecht gesetztem Text und es ist gekommen, um einem die Laune zu verderben.  Es prangert das Schlechte auf der Welt an und fordert auf, eben jene zu verbessern. Und es zeigt einem, wie wenig man bisher getan hat. Die Rede ist von einem dieser undefinierbaren Dinger:

Die Welt ist hart, gezeichnet von Vergewaltigung, Krankheit, verkannten Helden und Vorverurteilungen. Erste Eindrücke sind nicht immer die besten und Menschen werden gemobbt auf Grund von Unkenntnis und Äußerlichkeiten. Mobbing und die damit verbundene Gewaltanwendung und Ausgrenzung ist ungerecht und sollte niemand gutgeheißen. Ich glaube, dass das von so ziemlich allen, die wissen, was Mobbing ist, geteilt wird. 
Das obige Textbild mag für viele trivial sein, stößt mir jedoch regelmäßg sauer auf. Es werden drei Fälle beschrieben, in denen Menschen diffamiert werden. Als Grund dafür wird die Unkenntnis der Umstände genannt – Feuer, Vergewaltigung und Krankheit. Klar bin ich dagegen, doch angenommen, die Kenntnis dieser Schicksale würde vor Mobbing schützen, was ist dann beispielsweise mit dem Kind, das die Leute fett nennen, ja das Kind, das trotzdem nicht krank ist sondern einfach zu viel isst? Was ist, wenn Leute auf Grund von Äußerlichkeiten gemobbt werden, hinter denen keine schweren Schicksale stecken? Auch hier muss man sich gegen Gewalt und Ausgrenzung aussprechen, egal ob jemand vom Leben gebeutelt ist oder nicht.
Darüberhinaus werde ich gebeten, dieses schreckliche Textbild weiterzuposten. Tue ich dies nicht, wird sogar angenommen, dass ich mich nicht „traue“, dies zu tun oder implizit für Mobbing bin.
Ich sehe dieses Bild immer häufiger und rege mich jedes mal darüber auf, wahrscheinlich sehe ich das zu eng, aber seht’s mir bitte nach. Ihr könnt nicht wissen, dass ich mir einmal beim Nagelknipsen so sehr auf die Zunge gebissen habe, dass ich mich tagelang nicht mehr richtig ausdrücken konnte und dadurch von niemandem mehr ernst genommen und nur noch in meiner Schwäche ausgenutzt wurde. Seitdem bin ich etwas skeptischer.

Von Bäumen, Brezeln und der Ästhetik des O

Vor zwei Wochen bin ich nach München gezogen. Ich hatte das Glück, für diese zwei Wochen bei einer Frau unterzukommen, die hauptberuflich für verzeifelte Menschen da ist und in ihrer Freizeit gerne Tee trinkt, Dinkelkekse isst und Bäume umarmt. Letzteres habe ich an der Uni auch schon gemacht – ein Hoch auf Schlüsselqualifikationen – wir hatten also gleich einen gemeinsamen Nenner. Ich habe dort Schwabing, den Nymphenburger Park und die Münchner Freiheit etwas näher kennen gelernt, das waren für mich vorher Böhmische Dörfer (und das, obwohl ich als Kind ein riesiger Fan der Münchner Freiheit war…).
Mein Job im Goethe-Institut bereitet mir viel Freude. Nicht zuletzt deshalb, weil ich mich mit dem Projekt, an dem ich mitarbeiten darf, ser gut identifizieren kann. Die Arbeit macht mir so viel Spaß, dass ich schon beinahe angefangen habe, über den Büroalltag zu twittern. Frei nach „Mist, der Kaffee ist alle“ oder „Es druckt nicht“. Aber dann bin ich doch noch zur Besinnung gekommen.
Viele wollen wissen, wie München „so ist“ und ob ich mal was darüber berichten kann. Hätte ich vorher den Kopf voller Klischees gehabt, wären mir diese sicherlich hier bestätigt worden. Ich kann also wenig dazu sagen. Lederhosen und Schickimicki habe ich noch nicht groß wahrgenommen. Das, was mir bisher aufgefallen ist, ist dass hier zu jeder Zeit und überall Brezeln verfügbar sind und es so Zeitungskästen gibt, wo man irgendwas reinsteckt (oder auch nicht) und sich dann so viele Zeitungen wie man will herausnehmen kann. Pfft, und die Aktion „Bild für alle“ soll was besonderes sein, ja? Und der Döner schmeckt mir nicht, aber vielleicht bin ich da auch verwöhnt. Das letzte Mal, dass ich so ein „Sandwich Döner Art“ gegessen habe, war in Syke. Das ist ein Kaff in Niedersachsen. Aber wollen wir uns nicht mit solchen Lapalien aufhalten.
Jetzt sitze ich hier in der neuen Wohnung. Noch ist sie ohne Möbel, die kommen bald nach. Ich überlege, ob ich mir eine Zeitung nehme und überall den Buchstaben O durchstreiche. Ich hab das mal in einem Roman gelesen (von Faldbakken oder Drehmann, kann mich aber auch irren), nur dass es dort der Buchstabe E oder I war. Für ein O braucht man natürlich einen Grund der Antipathie, sonst hätte das ja gar keinen Sinn. Da stellt sich mir die Frage, warum ich das O nicht mögen sollte. Ist es mir zu offen oder zu geschlossen? Irgendwie ist beides richtig, da müsste man sich mal professionelle Hilfe bei einem Ästheten holen.
Was für eine Kurve hat dieser Text jetzt eigentlich genommen? Ich wollte doch nur beschreiben, dass ich jetzt alleine in einer leeren Wohnung sitze… In diesem Sinne.