Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto ist ein Auto

„Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.“ Dieser Satz stammt aus dem 1922 veröffentlichten Gedicht Sacred Emily von Gertrude Stein. Oft wird der Satz so interpretiert, dass die Dinge so sind wie sie eben sind. Eine Rose ist eine Rose und daran gibt es nichts zu rütteln, genauso wie 1 = 1 ist oder ein Kreis ein Kreis. Ohne auf das ganze Gedicht einzugehen, sehe ich das etwas anders. Eine Rose steht für viele Dinge. Sie reicht von der Liebe über den Vornamen bis hin zur schnöden Pflanze, kann also auf unterschiedlichste Weisen gedeutet werden. Eine Rose ist nicht nur eine Rose, nein sie ist auch eine Rose und obendrein noch eine Rose, neben vielen anderen natürlich.
Wie komme ich jetzt darauf? Mein Auto ist weg, das heißt woanders. An einem besseren Ort. Wovon träumen Autos? Egal, da ist es jedenfalls jetzt.
Ich kann nicht sagen, dass ich traurig bin, dass es weg ist. In erster Linie war es ein Gebrauchsgegenstand und ein kaputter noch dazu. Trotzdem ist ein Auto mehr als ein Auto. Mehr als Symbol und mehr als Ort. Für mich sind damit viele schöne Erinnerungen verbunden. Sei es eine Zeltplatztour quer durch Deutschland oder eine Fahrt mitten rein ins Vogelgrippegebiet. Auch an meine erste Fahrt nach Leipzig zwecks Wohnungssuche erinnere ich mich gerne, wenn auch mit etwas Schrecken. Nein, auf der Autobahn einpennen ist nicht so toll, aber geschadet hats mir auch nicht.
Ich bedanke mich jedenfalls beim Eberswalde-Mobil. Du warst immer für mich da, auch wenn du in den letzten Monaten nur so rumgestanden hast. In Zeiten, in denen fast alles schief lief, bin ich mit dir einfach irgendwo hingefahren und dann ging es wieder. Und dass du mir so viele schöne Zeiten mit meiner Freundin beschert hast, das ist auch nicht ohne.
Mein Auto bleibt mein Auto bleibt mein Auto bleibt mein Auto.

Heimatbesuch

„Sag mal, warum hast du heute vormittag Frau Hammerschmidt nicht gegrüßt?“ Die Frage überraschte ihn. „Wen?“ – „Na Frau Hammerschmidt, deine ehemalige Kindergärtnerin.“ Im Kindergarten ist er seit 25 Jahren nicht mehr gewesen. Ganz schön lange Zeit, da vergisst man viel. Lang ist es auch her, dass er hier seine Eltern besucht hat. Einige Städte kamen und gingen dazwischen.
„Kenn ich nicht. Wo soll denn das gewesen sein?“ Ganz so dumm, wie er da tat, ist er gar nicht. Als er heute morgen durch das Dorf spazierte, sind ihm schon die Blicke der Bewohner aufgefallen. Wer ist das denn? Und wie sieht der denn aus? Schau mal, wie der geht! Was will der hier? Ist das nicht… Am schlimmsten war es bei der Frau mit dem Hut. Kleinkariert, das passt, dachte er da noch und ging etwas schneller.
„Das kann doch nicht sein. Frau Hammerschmidt war doch immer so nett zu dir. Einmal war sie sogar zum Kaffee bei uns.“ Zum Kaffee… als er daran dachte, wurde ihm unwohl. Bis heute ist ihm der hier übliche, starke, türkisch gebrühte Kaffee ein Graus. Vielleicht ist das der Grund, warum das Dorf vor Jahren einen Herzinfarkt erlitten zu haben schien. Dass er hier fort musste, war eher eine Frage des Frühers als des Späters.
„War das die mit dem komischen Hut?“ Die Frage konnte er sich nicht verkneifen, genausowenig wie sie die Antwort. „Weißt du, deine Überheblichkeit kannst du dir wirklich sparen. Du musst hier nicht den Großkotz raushängen lassen, komm mal runter von deinem hohen Ross!“
Diesen Satz hatte er schon oft gehört. Und wieder fragte er sich, wie hoch dieses Ross noch werden muss, damit er endlich weit genug wegreiten kann.
Durch die Heimatstadt zu spazieren, in der man schon lange nicht mehr war, kann schon seltsame Gefühle wecken, insbesondere wenn man Nebraska von Bruce Springsteen im Ohr hat. Nicht viel hat sich geändert, was ich als mal gut, mal schlecht empfand. Schön war es, aber ein Bleiben kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Wörterbuchlyrik

Dass Texte über Erdbeben ein lyrisches Potential besitzen können, habe ich schon an anderer Stelle beschrieben. Damals hat mich ein Japanlologiereferat zur Seismolyrik geführt.
Heute beschäftige ich mich mit Deutsch-Japanischen Wörterbüchern und stoße auf einige Kuriositäten. Neben „Schnedderengtengteng!“ und „einer Leiche folgen“ kann man so einiges zum Schmunzeln finden, auch oft längst vergessene Wörter wie „Beißkohl“ oder „todbang“ sind keine Seltenheit.
Hängengeblieben ist bei mir aber vor allem der Eintrag zu „bleiben“ im SANSYUSYA-Wörterbuch von 1972. Was dort an Beispielsätzen hintereinander steht, ließt sich wie ein Gedicht, quasi Wörterbuchlyrik:

Es bleibt alles, wie es war.
Zwei von sieben bleibt fünf.
Ihm bleibt nur sein Haus.
Wo Bleibt er?
Wo ist er nur geblieben?
Und wo bleibe ich?

Bleiben Sie gesund!

(SANSYUSYA 1972: 173)

Anscheinend ist vieles sicher. Genauso sicher, wie 7-5=2 ist, dass ihm, wer immer auch gemeint ist, nichts außer seinem Haus bleibt. Immerhin, könnte man da sagen, aber ungewiss ist, wo er als Person bleibt, also er ohne sein Haus. Er ist nicht mehr da, wo kann er nur sein? Den Sprecher erinnert es an sich selbst und er stellt auch sein Sein in Frage. Das Gedicht schließt mit einem Rat an den Leser. „Bleiben Sie gesund!“ Hier kann man sehen, was so viele sehen – sei es bei Geburtstagen oder der Unterhaltung auf der Straße: Egal, wo man bleibt, auch ohne Haus und mit der Ungewissheit über Sein oder Nichtsein, Hauptsache gesund!